Baugeschichte
1814-1836
Errichtung eines Volkstheaters für die »geistige Erholung«.
1894
In Berlin werden die Pläne der »Schiller-Theater AG« für den Bau eines neuen Theaterhauses vom Magistrat und den Stadtverordneten abgelehnt.
In der »aufblühenden Nachbarstadt« Charlottenburg jedoch findet die »Schiller-Theater AG« positive Aufnahme und die Fürsprache des Oberbürgermeisters, der den Aufbau einer kulturellen Institution für die Charlottenburger Bevölkerung als sozialpolitische Aufgabe ersten Ranges ansieht.
Die Charlottenburger Arbeiter, Gewerbetreibende und Kaufleute sollen in einem volkstümlichen Theater, einer Stätte der »geistigen Erholung« und »seelischen Erhebung«, einen Ausgleich zur täglichen Arbeit bekommen.
1903
12. Januar: Der Aufsichtsrat der »Schiller-Theater AG« bietet dem Charlottenburger Magistrat einen Vertrag an, der die Errichtung und Unterhaltung eines Schauspielhauses mit 1500 Sitzplätzen vorsieht.
1904
13. Februar: Die Stadtgemeinde Charlottenburg beschließt, den Grundstücksankauf und Theaterneubau eigenständig zu übernehmen und mit der »Schiller-Theater AG« einen langjährigen Pachtvertrag abzuschließen.
21. | 23. Juni: Die »Schiller-Theater AG« ist mit der Finanzierungsregelung einverstanden und schließt mit dem Magistrat einen Vertrag auf 25 Jahre ab.
Am Wettbewerb für ein an der östlichen Ecke von Bismark- und Grolmanstraße zu errichtendes Theater beteiligen sich sechs Architekten:
Heilmann und Littman (München), March, Fellner und Helmer (Wien), Reinhardt und Süßenguth (Charlottenburg), Seeling und Sturmhöfel (Berlin).
26. August: Mit 10 zu 2 Stimmen entscheidet sich das Preisgericht für den Entwurf von Heilmann und dem Theaterarchitekten Littmann.
1905
21. Oktober: Abschluss eines mit Heilmann und Littmann als Vertragsnehmer. Die pauschale Bausumme wird auf 1.423.000.- Mark veranschlagt. Den Termin für den Bauabschluss legt der Vertrag auf den 15. Dezember 1906 fest.
25. Oktober: Beginn der Erdarbeiten.
1906
14. Juli: Erweiterung des Bauvertrages nach Beschlüssen der städtischen Körperschaften: Der Anbau eines Saales für Volksunterhaltungs- und Bildungszwecke sowie die Verbesserung der Bühnentechnik werden vorgesehen.
12. | 28. Dezember: Ergänzung des Pachtvertrages. Die »Schiller-Theater AG« übernimmt den projektierten Saalbau und verpflichtet sich, Funktions- und Tarifbestimmungen einzuhalten.
15. Dezember: Feierliche Abnahme des Neubaus.
Der Komplex besteht aus drei Einheiten: einem Theatergebäude, einer Gaststätte und einem Mehrzweck-Saalbau. Das als Volkstheater konzipierte Gebäude verzichtet auf die rangförmige Gliederung herkömmlicher Zuschauerräume. Es ist mit über 1450 Plätzen ausgestattet, dessen Ausrichtung auf die Bühne größtmögliche Gleichwertigkeit der Plätze anstrebt.
Das Prinzip des Amphitheaters wird durch die Anordnung einer Galerie im rückwärtigen Teil des Saales durchbrochen, was jedoch nicht als Zugeständnis an das traditionelle Rangtheater, sondern als Mittel der Platzgewinnung verstanden wird. Im Innern findet sich eine ausgesprochen moderne Gestaltung: Alles all zu Luxuriöse wird vermieden, einfache, klare Linien und eine zurückhaltende Farbgestaltung dominieren. Dieses Prinzip setzt sich an der Fassade fort, wo Putzflächen vorherrschen und Sandstein nur wenig Verwendung findet.
Das Bühnenhaus hingegen bleibt traditionell: Ein illusionistischer Guckkasten mit Kulissendekoration. Die Idee des Reformtheaters beschränkt sich auf die Gestaltung des Zuschauerraums.
Der dezente Skulpturenschmuck ist von den Bildhauern Düll und Petzold gestaltet, die Ausmalung des Zuschauerraums und der gemalte Vorhang stammen von Julius Mössel.
Das Haus ist von der Straßenflucht weit zurückgenommen und hat im Vorhof einen Musikpavillon. An das Bühnenhaus schließt sich der Volksunterhaltungssaal an, während der Bau zur Bismarkstraße hin mit dem vorspringenden Restaurationsgebäude abgeschlossen wird.
1907
1. Januar: Eröffnung des Schiller-Theaters mit der Aufführung der »Räuber« von Friedrich Schiller.
1. Februar: Abnahme des Volksunterhaltungssaals.
Baukosten für den gesamten Gebäudekomplex 1.659.000.- Mark.
1936-1938
Nazi-Theater und Kriegsruine
1936
Abriss des Eckladens (Musikpavillon) und Neugestaltung des Theaterplatzes mit stärkerer räumlicher Einbindung in die Bismarckstraße. Der Volksunterhaltungssaal dient ausschließlich als Probebühne.
1937/38
Umbau unter Beibehaltung des Grundrisses zu einem repräsentativen Zwei-Rang-Theater mit 1300 Plätzen durch Paul Baumgarten. Der Umbau erfolgt im Einklang mit dem monumentalen Architekturgeschmack des Nationalsozialismus: Durch reichliche Verwendung von Marmor, poliertem Kalkstein und Mahagoniverkleidung wird eine prunkhafte Ausstattung erreicht und das Gesicht des Theaters stark verändert. Im 1. Rang wird eine »Regierungsloge« eingebaut.
Die Bühne wird vergrößert und erhält einen Rundhorizont. Der Orchestergraben kann als Vorbühne verwendet werden.
Am Umbau sind die Bildhauer Paul Scheurich und Karl Nocke sowie der Maler Albert Birkle beteiligt.
1943
23. November: Das Theater wird bei einem Luftangriff zerstört. Wie ein verstümmelter Riese steht es jahrelang in einer Umwelt von zerborstenem Gestein, in der sich Gräser und Birkenstauden als »Trümmerflora« ansiedeln.
1948-1967
Wideraufbau und Wirtschaftswunderglanz
1948
Wettbewerbsausschreibung für den Wideraufbau des Schiller-Theaters. Der Entwurf der Architekten Heinz Völker und Rolf Grosse findet die Anerkennung des Preisgerichtes. Ihr Entwurf, der bereits im Wettbewerb »durch seine kultivierten Formen und seine große Ausgeglichenheit im Äußeren und Inneren« sowie den »ansprechenden und großzügig« wirkenden Zuschauerraum einen großen Eindruck hinterlassen hatte, diente für den Neubau als Grundlage.
1950
Beginn der Bauarbeiten unter der künstlerischen Oberleitung der Architekten. Die Baudurchführung liegt beim damaligen Stadtbaudirektor Bonatz.
Einige Teile der Ruine des alten Theaters werden für den Neubau wieder verwendet. Völker und Grosse versuchen an die Konzeption des Volkstheaters anzuknüpfen. Im Innern wird eine Kompromisslösung realisiert: keine Widerherstellung des Littmannschen Amphitheaters, sondern die Verbindung eines großen Parketts mit einem breiten Rang.
Das Theater verfügt nur noch über 1085 Plätze.
Der Bühnenbereich ist gegenüber den Vorgängerbauten erheblich erweitert worden.
Ein surrealistisches Glasbildpanorama von Ludwig Peter Kowalski ist in der vorgewölbten Glasfassade zur Straße hin zu sehen.
1951
Im Spätsommer: Abschluss der Bauarbeiten.
5. September: Das Schiller-Theater wird feierlich eingeweiht.
1958
Akustische Nachbesserungen.
1959
Fertigstellung eines Magazin- und Werkstättengebäudes auf dem rückwärtigen Grundstück der Schillerstraße 9.
Einrichtung einer einfachen Studio-Bühne in den ehemaligen Tischlerwerkstätten: Die »Schiller-Theater Werkstatt«.
1967-1980
Modernisierungen
1967/68
Einbau einer neuen Bühnenlicht-Stellanlage.
1976/79
Neubau eines Werkstattgebäudes für die Schneiderei auf dem östlichen Grundstücksteil mit Anbindung an das bestehende Osttreppenhaus. Umbau der Kostümwerkstätten im 3. Obergeschoß des Bühnenhauses zu Büroräumen.
1980
Optische Umgestaltung und technische Modernisierung des Theaters für 8,1 Millionen Mark. Die bisherige helle Holzverkleidung der Wände und das mit rotem Cordsamt bezogene Gestühl des Zuschauerraumes trennt nach Ansicht der Direktion das Publikum zu krass von der Bühne. Wände und Sitzreihen einschließlich der Decke erhalten eine dunkelbraune Farbgebung, um den Raum zu Gunsten des Bühnengeschehens zu neutralisieren.
Ein neues Beleuchtungssystem wird installiert, die Akustik funktionell nachgebessert und die Bühnentechnik überholt, unter anderem durch den Einbau von Hubpodien.
In Foyer und Kassenraum bestimmen nunmehr fein nuancierte Weißtöne die farbliche Gestaltung. Die Fassade des Theaters wird einer gründlichen Reinigung unterzogen.