Die Meistersinger von Nürnberg

Oper in drei Aufzügen (1868)

Musik und Text von

Richard Wagner

Als Richard Wagner um die Mitte der 1840er Jahre die ersten Ideen zu den »Meistersingern von Nürnberg« entwickelte, hatte er noch keineswegs im Sinn, eine monumentale »Festoper« zu schreiben. Eine Komödie von leichter Hand, ein heiter-humoristisches Satyrspiel sollte dieses Werk werden, seinem »Tannhäuser« an die Seite zu stellen, da hier wie dort Reflexionen über Kunst und Künstler im Mittelpunkt stehen. Mehr als zwei Jahrzehnte später lag dann eine Partitur vor, die zu den umfangreichsten und vielschichtigsten des gesamten Repertoires zählt und zu durchaus kontroversen Diskussionen anregte.

Die Solisten und der Chor, vor allem aber das groß besetzte Orchester entfalten eine außergewöhnliche Klangpracht – zu spüren ist dies sogleich im Vorspiel zum 1. Aufzug mit seinem C-Dur-Glanz und seinen großen Aufschwüngen voller Kraft und Helligkeit, in besonderem Maße aber auch in der abschließenden Szene auf der »Festwiese«, in der buchstäblich alles aufgefahren wird, was auf einer Opernbühne überhaupt denkbar erscheint. Staunen macht aber nicht nur die schier überwältigende klangliche Präsenz, sondern auch das immens hohe kompositionstechnische Niveau, das Wagner hier ins Werk gesetzt hat und das sich in den lyrischen, verinnerlichten Passagen als ebenso eindrucksvoll erweist. Seit der triumphalen Münchner Uraufführung vom Juni 1868 gehören die »Meistersinger« zu den festen Säulen des europäischen Musiktheaters – als ein Werk, das abseits des Bühnenalltags demonstriert, was der Oper (bzw. dem Musikdrama) möglich ist.

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ERSTER AUFZUG
Die würdigen Bürger der Stadt rüsten sich in der Kirche für das morgige Johannisfest und zugleich fiebert die städtische Jugend der Johannisnacht entgegen, der heidnischen Nacht der Liebespaare, der großen Wünsche und Wunder und der himmlischen Räusche.
Der frisch in die Stadt gezogene Landadlige Walther von Stolzing stellt selbst in der Kirche der Tochter seines Geschäftspartners, des Goldschmiedemeisters Pogner, nach. Am Vorabend sahen die beiden einander erstmals und auf diesen ersten Blick scheinen sie sich ihrer Liebe sicher zu sein. Aber Stolzing wird von der mütterlichen Begleiterin Evas, von Magdalene, aufgeklärt, dass Eva einzig und allein einen Meistersinger heiraten dürfe, und am besten den, der das Wettsingen der Meistersinger am nächsten Tag zu Ehren des Johannisfestes gewinnt.
Stolzing bleibt nichts anderes übrig, als an diesem einem Tag die Meistersingerwürde zu gewinnen, kann er doch sonst am nächsten Tag nicht um Eva werben. Der von Magdalene favorisierte Lehrbube des bekannten Meistersingers Hans Sachs, David, soll helfen. David belehrt den Ritter ausführlich über die Unzahl der notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten im Singen und Reimen des Meistergesangs, um alle Prüfungen bis zum Meister bestehen zu können. Das alles ist für Stolzing in der Kürze der Zeit völlig unmöglich, doch eine Chance eröffnet sich ihm, denn Meister kann werden »der zu Wort und Reimen, die er erfand, aus Tönen auch fügte eine neue Weise, der wird als Meistersinger erkannt«. Eigene Worte und eigene Melodie sind dem Sänger zugestanden, aber die Form des Meistergesangs muss dennoch genau eingehalten werden. Das ist die Bedingung, um in einem Sprung die Meisterwürde zu erlangen und in die Zunft aufgenommen zu werden.
Inzwischen sind die Vorbereitungen für eine Versammlung der Meistersinger in vollem Gange. Dabei wird Pogner vom Stadtschreiber Beckmesser bedrängt, dass er auf den Wettgesang um seine Tochter verzichten und ihn stattdessen bei seiner Werbung um Eva unterstützen soll. Stolzing unterbricht die beiden Meistersinger und zum sichtlichen Wohlgefallen Pogners und unverhohlenen Ärger Beckmessers erklärt er seinen dringlichen Wunsch, heute noch in die Zunft der Meistersinger aufgenommen zu werden. Als die zwölf Meistersinger versammelt sind, verkündet Pogner feierlich, seine Tochter und sein Geschäft zum Siegespreis des Wettsingens zu bestimmen. Die Meistersinger werden den Sieger küren, das letzte Wort soll zwar seine Tochter haben dürfen, aber einen anderen Mann als einen zünftigen Meistersinger soll sie niemals ehelichen. Hans Sachs, der erfolgreichste und wirkmächtigste Meistersinger, traut dem Kreis der Meister kein Urteil zu, dem auch Eva zustimmen wird, geht es doch um Kunst und Liebe. Deshalb schlägt er vor, in diesem Falle erstmalig das zuhörende Volk zum Preisrichter zu berufen, da Volk wie Eva gleich unbeeindruckt von des Meistergesangs Regeln ihrem Herzen folgen und so eine rechte Wahl treffen würden.
Das ist den Meistersingern zu kühn und ungewöhnlich, wider alle Tradition. Sie verwerfen den Vorschlag von Hans Sachs. Besonders vehement weist Beckmesser das Ansinnen zurück. Er wittert in Sachs den Konkurrenten und fürchtet dessen Beliebtheit als Dichter von volkstümlichen Liedern.
Die Meister kehren zur Tageordnung zurück und das ist der Moment für Stolzing, sich unterstützt von Pogner und Sachs, vorzustellen und um die Aufnahme in die Zunft zu bitten. Er darf sein Lied vortragen. Stolzing setzt alles auf seine sängerische und dichterische Improvisationsgabe und er vertraut dem mitreißenden Schwung seiner Gefühle, aber das strenge Regelwerk des Meistergesangs wird ihm zur Falle, in der er sich rettungslos verfängt. Akribisch notiert der argwöhnische Beckmesser die Unzahl der Regelverstöße und unterbricht dann sogar den Gesang. Hans Sachs indes ist berührt und aufgestört von diesem neuartigen Gesang und erzwingt zumindest, dass Stolzing sein Lied gegen den Protest der anderen Meister beenden darf. Doch unter dem Spott der Lehrbuben wird das vernichtende Urteil über Stolzings Gesang gesprochen: »Versungen!«. Um Stolzings Glück und Evas Zukunft sieht es düster aus.

ZWEITER AUFZUG
Die Lehrbuben ziehen schon durch die Straßen der abendlichen Stadt, die Wundernacht herbei wünschend, Abenteuer suchend. Da kommt ihnen das heimliche Pärchen David und Magdalene gerade recht. Voller Spottlust und Neid machen sie sich über die Beiden lustig und beginnen mit dem wütenden David Streit. Sachs jagt sie allesamt auseinander und befiehlt seinen Lehrbuben ins Haus.
Auch Pogner ist mit Eva vors Haus getreten. Pogner grübelt, ob sein Plan bedacht und gut war und möchte sich mit Sachs beraten. Eva will vom Vater nur wissen, was mit Stolzing geschah. Pogner schweigt sich aus und lässt Eva im Ungewissen allein. Magdalene berichtet ihr, dass Stolzing gescheitert sei. In ihrer Not hofft sie Rat bei Sachs zu finden.
Sachs verlangt von David die Schusterbank. Eigenhändig will er den Schuh für Beckmesser richten, doch der Auftritt Stolzings lässt ihm keine Ruhe, denn dessen Gesang war unvergleichlich seinem eigenem Meistergesang und berührte ihn doch tief. Sachs freut sich am Fremden und findet darin, in der Anerkennung des anderen, seine eigene Ruhe wieder. Jetzt kann er sich getrost den Schuhen Beckmessers widmen.
Eva sucht seinen Rat, ohne ihre Gefühle preiszugeben. So gerät das Gespräch zu einem gegenseitigen Aushorchen. Sachs will wissen, ob sich Eva mit Beckmesser, dem einzig ledigen Meistersinger, als Ehemann einverstanden zeigen würde, Eva hingegen, ob nicht der verwitwete Sachs selbst als Bewerber und Freier auf den Plan treten könnte. Sachs verzichtet auf Eva und Eva lehnt Beckmesser ab. Beiden wird klar, dass Eva allein mit Stolzing glücklich werden will. Eva verlässt Sachs unberaten, doch Sachs ist entschlossen ihr und Stolzing zu helfen.
Stolzing hilft sich selbst und macht sich auf, Eva zu entführen und Eva wirft sich ihm beglückt in die Arme. Aber auch Beckmesser will die Nacht für sich nutzen und mit einem Ständchen Eva für sich gewinnen. All das beobachtet Hans Sachs aus dem Schutze seines Hauses heraus und greift kräftig und lustvoll in das nächtliche Geschehen ein. Erst hindert er geschickt Stolzing und Eva daran, ungesehen der Stadt zu entfliehen, dann knöpft er sich Beckmesser vor, der mit seinem Gesang anheben will, daran aber von dem mächtig lossingenden Sachs übertönt wird. Dem Schusterlied von Sachs ist Beckmesser nicht gewachsen. Er ist um sein heimliches Ständchen gebracht. Wütend lässt er seinem Hass auf Sachs freien Lauf. Abrupt endet Sachs sein Lied. Sachs schlägt Beckmesser vor, er solle sein Ständchen für Eva ruhig singen, aber er würde jeden Regelfehler von ihm mit einem Schlag auf den Schuhleisten ahnden. Beckmesser muss dem Vorschlag zustimmen, wobei er aber übersieht, dass die sich in Pogners Haus am Fenster zeigende Frau nicht Eva, sondern die verkleidete Magdalene ist. Beckmesser singt und unnachgiebig merkt Sachs mit kräftigen Schlägen auf den Schuhleisten jeden der vielen Fehler an.
Gebannt verfolgt in ihrem notdürftigen Versteck das Liebespaar das immer hitziger und lauter werdende Duell. Beckmesser schnappt fast über und genau in diesem Moment erblickt David aus seinem Zimmer den vor seiner Magdalene lautenschlagenden Beckmesser. David stürzt sich auf Beckmesser, Magdalene schreit um Hilfe, alle Welt wacht auf, dringt zu Pogners Haus vor; jeder bezichtigt jeden des Lärms – Zeit alte Rechnungen zu begleichen, uralte Fehden brechen auf, Bürger schlägt auf Bürger ein, das Chaos siedet. Stolzing und Eva laufen Gefahr in diesem Strudel mitgerissen und erkannt zu werden. Das begreift auch Sachs und so wirft er sich ins Getümmel, trennt das Paar und zieht Stolzing gewaltsam in sein Haus. Gleichzeitig sorgen besonnenere Bürger mit kräftigen Wassergüssen aus den umliegenden Häusern für die dringende Abkühlung. Ernüchtert trollen sich alle von der Walstatt. Die städtische Obrigkeit trifft in Person des Nachtwächters verspätet auf dem Schlachtfeld ein und reibt sich angesichts der Verwüstungen verwundert die Augen.

DRITTER AUFZUG
Sachs hat die Nacht durchwacht. Aus seiner tiefsitzenden Nachdenklichkeit kann ihn auch der reumütige David nicht reißen. Erst langsam formen und fügen sich die Gedanken des Meistersingers zu einer Analyse der nächtlichen Ungeheuerlichkeiten und seiner Mitschuld. Er war es, der »an des Wahnes Faden zog«, der dann zu rasen begann in der Johannisnacht, die Menschen um ihn herum verführte, sie beutelte und sie zueinander und gegeneinander in der Nacht der Schrecken und Zaubermächte trieb. Nun gilt es für Sachs am Johannistag, seinen Wahn wie den der anderen so zu bändigen, dass ein vernünftiges Zusammenleben möglich und das Wilde und Zerstörerische gebannt wird.
Mit Stolzing, seinem nächtlichen Gast, dem ein wunderschöner Traum neue Zuversicht eingeflößt hat, erwägt er dessen Möglichkeiten trotz aller Widerstände am Wettsingen teilzunehmen. Der Traum Stolzings scheint Sachs der geeignete Gegenstand für ein Meisterlied. Stolzing erzählt den Traum und Sachs formt ihn den Meisterliederregeln gemäß. Stolzing folgt den Regeln und sie gehen ihm leicht von der Hand. Der Traum wird zur Poesie umgeschmolzen. Sie beschließen mit diesem Lied das Wettsingen zu wagen.
Beckmesser sucht Sachs auf und will ihn zur Rede stellen. Doch statt Sachs findet er das Manuskript des Werbeliedes von Stolzing in der Handschrift von Sachs. Beckmesser glaubt nun, dass Sachs doch um Eva freien wird. Die momentane Abwesenheit von Sachs nutzend, stiehlt er schnell entschlossen die Handschrift, um dann dem hinzukommenden Sachs sein nächtliches Handeln vorzuwerfen. Sachs hört es sich an, entdeckt dabei den Diebstahl, den Beckmesser nicht leugnet, wähnt er sich doch dazu berechtigt, da ja Sachs erklärt habe, nicht um Eva zu freien. Sachs schenkt ihm das Lied und versichert, weder am Wettsingen teilzunehmen noch jemals zu behaupten, das Lied sei von ihm. Beschwingt und siegessicher tanzt Beckmesser davon.
Bedrückt und ratlos dagegen erscheint Eva unter einem Vorwand bei Sachs. Will sie ihn doch noch einmal überzeugen um sie zu werben, oder sucht sie Stolzing? Stolzing löst alle Ungewissheit. Mit der dritten Strophe seines Preisliedes verzaubert er Eva. Sachs bestätigt ihm einen wahren Meistergesang geschaffen zu haben, dessen Melodie er nach altem Meistersingerbrauch in Anwesenheit der Zeugen, des schnell zum Gesellen beförderten David und seiner Magdalene, auf den Namen »Die selige Morgentraumdeut-Weise« tauft. Der Johannistag hat begonnen und das große Fest kann kommen.
Die städtischen Zünfte ziehen auf dem Festplatz ein. Mit dem Eintritt der Meistersinger beginnt das Fest, eröffnet von Hans Sachs, dem die Festgemeinde mit dem Gesang seines Liedes »Wach auf« huldigt, bevor er das ersehnte Preissingen würdigt und freigibt.
Beckmesser eröffnet das Singen und versagt kläglich, ist er doch dem fremden Text gedanklich nicht gewachsen und will sich die von ihm gewählte Melodie nicht mit dem Text zum Werk vereinen. Er wird schmählich ausgelacht und verhöhnt. In seiner Ohnmacht verunglimpft er Sachs, dieser habe ihm das schändliche Lied aufgezwungen und überhaupt sei es von diesem. Auf diesen Moment hat Sachs gewartet, jetzt kann er erklären, wer der Schöpfer des Liedes ist, und welch hohe Qualität es besitzt, wird es nur vom rechten Sänger gesungen. Der feingesponnenen Argumentation kann sich die Meistersingerzunft nicht entziehen. Stolzing darf vortreten und triumphiert mit seinem Lied. Eva ist gewonnen. Die ehrenvolle Aufnahme in die Meistersingerzunft jedoch verweigert der Adlige Walther von Stolzing.
Sachs sieht seine Sendung gefährdet, in den Meistersingern eine vorbildliche Gemeinschaft zu behaupten, eine Gemeinschaft der berufenen deutschen Künstler, die Stolz und Hort des deutschen Volkes sein sollen. Er besteht darauf, dass Stolzing diesen Auftrag annimmt. Stolzing fügt sich wortlos.

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