Hippolyte et Aricie

TRAGÉDIE-LYRIQUE IN FÜNF AKTEN (1757)

Musik von Jean-Philippe Rameau
Text von Simon-Joseph Pellegrin

Götter und Menschen – die Begegnung der Ewigen mit den Sterblichen ist oft spannungsreich und wenig vorsehbar. Die beiden Paare in Rameaus Tragédie lyrique – Hippolyte und Aricie, Thésée und Phèdre – erfahren die Macht der Götter am eigenen Leib, durch das Eingreifen von Diana, Jupiter, Pluto und Neptun. Zugleich brechen permanent seelische Regungen aus ihnen hervor, kaum beherrschbare Emotionen, gegen die alle Vernunft nichts auszurichten vermag. Verbotene Leidenschaften lodern auf, und die Liebe sucht sich ihren Weg nach ganz eigenen Gesetzen.

Idylle, Geheimnis und Schrecken walten in gleichem Maße, im Wald, am Meer oder in der Unterwelt. Farbenreich und voller Kontraste ist Rameaus Musik, mit einer Vielzahl an Klängen, Formen und Ausdrucksmomenten. Tiefer Ernst paart sich mit leichtfüßigem Entertainment, lyrische Innerlichkeit mit dramatischen Zuspitzungen – ein Kosmos tut sich auf, der den Schatz der griechischen Mythen ebenso offenbart wie den Zauber des französischen Barock.

Medien

Vorgeschichte
Um die Herrschaft in Athen zu erlangen, hat der Held Theseus die Pallantiden, die zahlreichen Söhne des Pallas, geschlagen und bis auf deren Schwester Aricia vernichtet. Aricia selbst soll, um ihren Stamm endgültig auszulöschen, ehe- und kinderlos bleiben, im Dienst der Göttin Diana. Hippolytos, Theseus’ Sohn, zeigt sich ebenfalls Diana zugetan und verpflichtet. Zugleich aber fühlt er sich liebend zu Aricia hingezogen, diese erwidert seine Liebe. Hippolytos wiederum wird von seiner Stiefmutter Phädra begehrt, der Tochter des kretischen Königs Minos und Schwester der Ariadne. Während Phädra, Hippolytos und Aricia in einer gefährlichen Dreieckskonstellation gefangen sind, ist Theseus, dem sein Vater, der Meeresgott Neptun, drei Wünsche freigestellt hat, in die Unterwelt hinabgestiegen. Er hofft, von dort seinen Freund Perithoos, der aus Übermut Plutos Gattin Proserpina aus dem Hades rauben wollte, zum irdischen Leben zurückführen zu können. In der Zeit seiner Abwesenheit hat Theseus seiner Gattin Phädra die Herrschaft über Land und Leute übertragen.

Erster Akt
Aricia bereitet sich darauf vor, im heiligen Wald der Diana ihr Leben der Göttin zu weihen. Hippolytos erscheint unerwartet und gesteht ihr, dass er sie liebt. Die Hohepriesterin der Diana und ihr Gefolge feiern die Macht der reinen Liebe. Die hinzukommende Phädra versucht, Hippolytos zu zwingen, bei Aricias Eintritt in den Tempel seine Unterstützung zu geben. Aricia fragt, wie sie ihr Herz treu der Diana weihen kann, wenn sie doch Hippolytos liebt. Wütend droht Phädra mit der Zerstörung des Tempels, während die Diana-Priesterinnen nach der Göttin rufen, um dieses zu verhindern. Diana selbst erscheint, begleitet von Blitz und Donner. Sie steht Hippolytos und Aricia bei, die sie in Liebe zueinander wie zu ihr verbunden sieht, warnt aber Phädra, nichts gegen den göttlichen Willen zu unternehmen. Phädra, allein zurückgeblieben, fühlt sich gedemütigt und von Hass erfüllt.

Zweiter Akt
Theseus wird, bevor sich die Pforten der Unterwelt für ihn öffnen, von der Furie Tisiphone mit den Schrecken konfrontiert, die ihn dort erwarten – jegliche Hoffnung, dem Hades wieder zu entkommen, ist vergeblich. Vor Plutos Thron gebracht, bittet Theseus um die Freigabe von Perithoos und die Erlaubnis, zu den Lebenden zurückzukehren. Pluto lehnt dies ab und fordert stattdessen seine Höllengeister auf, grausame Martern für die gefallenen Helden vorzubereiten. Theseus verlangt für sich den Tod, die drei Parzen jedoch, die allein um die Zukunft wissen, verweigern ihm jedoch den Wunsch – über sein eigenes Schicksal kann er nicht bestimmen. Theseus ruft nun seinen Vater Neptun an, dass er ihm helfen möge, die Unterwelt wieder zu verlassen. Unterstützt vom Gott Merkur, der im Namen Neptuns ebenfalls für Theseus bittet, entlässt Pluto ihn aus dem Hades. Zuvor mögen ihm die Parzen jedoch sein Schicksal verkünden: Sie prophezeien ihm, zwar der Hölle zu entkommen, diese aber im eigenen Haus wieder zu finden.

Dritter Akt
Im Palast wirft Phädra der Liebesgöttin Venus vor, allzu grausam zu ihr zu sein: Gegen ihre flammende Leidenschaft für Hippolytos und ihr Verlangen zu ihm scheint sie machtlos zu sein. Hippolytos kommt hinzu, mit der Nachricht, dass Theseus nicht mehr aus der Unterwelt zurückkehrt. Phädra teilt ihrem Stiefsohn mit, dass sie ihm gegenüber keine Gefühle des Hasses hegt, worauf Hippolytos gerne bereit ist, Phädra zu unterstützen. Er verzichtet auf den Thron seines Vaters zugunsten des gemeinsames Sohnes von Phädra und Theseus, der künftig herrschen solle. Diese Großmut missverständlich für Liebe haltend, zeigt sich Phädra von Hippolytos‘ Ankündigung geschockt, dass er einzig wünscht, mit Aricia vereint zu sein. Empört darüber entdeckt Phädra ihm nun offen ihre Liebe und ihr Begehren. Als sie Hippolytos‘ Erschrecken bemerkt, wirft sie all ihre Leidenschaft und Wut auf ihn. Der in diesem Augenblick in den Palast zurückkehrende Theseus ist überrascht von der Situation, die sich ihm bietet. Erst Phädra und dann Hippolytos verlassen ihn, ohne ihn darüber aufzuklären, was wirklich passiert ist. Phädras Dienerin Oenone, die ihre Herrin beschützen möchte, suggeriert Theseus, dass Hippolytos gerade dabei gewesen sei, Phädra Gewalt anzutun. Verzweifelt bittet Theseus Neptun nun ein drittes Mal – er möge Hippolytos vernichten, um die erlittene Schmach zu rächen. Der Gott gibt zu verstehen, dass er diesen Wunsch erfüllen wird.

Vierter Akt
Hippolytos bereitet sich darauf vor, ins Exil zu gehen, wird aber von Aricia aufgefunden – sie hat Nachricht von seiner unerwarteten Abreise erhalten und sucht verzweifelt nach Antworten. Hippolytos vermag nicht, die Wahrheit offenzulegen, bekräftigt aber nochmals seine unzerbrechliche Liebe zu ihr. Hippolyte bittet Aricia, gemeinsam mit ihm zu fliehen. Das Paar schwört sich ewige Treue – vor dem Angesicht Dianas soll der Bund geschlossen werden. Eine Jagdgesellschaft animiert Hippolytos und Aricie dazu, sich ihr anzuschließen, als plötzlich ein Seeungeheuer dem Meer entsteigt. Hippolytos nimmt den Kampf mit dem Monster auf, mit ungewissem Ausgang. Als sich der heraufgezogene Nebel lichtet, sind beide verschwunden. Phädra betrauert den Tod des geliebten Hippolytos.

Fünfter Akt
Aricia erwacht aus ihrer Ohnmacht. Sie beklagt den Verlust ihres Hippolytos, der offensichtlich den Kampf mit dem Seeungeheuer nicht überlebt hat. Zusammen mit einer Gruppe von Schäferinnen und Schäfern ruft sie ihre Schutzgöttin Diana an, die aus dem Himmel zu ihren Getreuen herabsteigt. Sie verkündet ihnen einen neuen Herrscher, der nach ihrem Willen über die Menschen in den Wäldern gebieten solle. Hippolytos, der von den Göttern errettet wurde, kehrt zurück. Er und Aricia werden den Anhängern der Diana als neue Regenten vorgestellt. Aricia hört den Gesang einer Nachtigall – vereint mit Hippolytos wird sie ein neues Leben in Glück und Harmonie beginnen.

»So geht Barock 2.0! Eliasson verwandelt die Bühne mit Laser, Licht und Spiegeln in eine Art interstellaren Olymp. Aricie (grandios: Anna Prohaska) und Phaedra (Star des Abends: Magdalena Kozena) singen in verspiegelten Kostümen.«

B.Z., 27. November 2018

»Galaktisch gut!!!«

B.Z., 27. November 2018

»Sängerisch bis in die kleinste Nebenrolle exzellent in Szene gesetzt, gehört das Werk zu den echten Höhepunkten der Saison.«

rbb Kulturradio, 26. November 2018

»Magdalena Kožená als furienhafte Phädra war auch schauspielerisch erstaunlich überzeugend, Anna Prohaska als Aricie hinreißend stilsicher und zugleich die wärmste Stimme des Abends, Reinoud Van Mechelen als Hippolyte ein nobler Tenor mit großen lyrischen Momenten. Und das Freiburger Barockorchester ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben, wenn es um Alte Musik geht.«

rbb Kulturradio, 26. November 2018

»Es ist trotz viel Licht- und Tanz-Choreografie eine beklemmend stille Inszenierung, die die Düsternis des Geschehens unterstreicht. Das Ganze etwas verrätselt – Star-Treck-Kostüme in einer Star-Wars-Welt. Aber gerade dieser Rätselhaftigkeit, kombiniert mit der kühlen genialen Musik Rameaus, hat ihren eigenen Reiz.«

rbb Kulturradio, 26. November 2018

»[…] Magdalena Kožená als Phèdre, die mit ihrem oft dunkel glühenden, dramatisch gespannten Mezzo alle Emotionen zwischen Hass und Verzweiflung auslotet.«

Berliner Morgenpost, 27. November 2018

»Anna Prohaska gibt ihrer Aricie ähnlich leuchtende, sanft vibrierende Farben wie Elsa Dreisig der Göttin Diane.«

Berliner Morgenpost, 27. November 2018

»Unter Sir Simon Rattle steuern die Spezialisten des Freiburger Barockorchesters selbstbewusst in selbst heute noch sperrig wirkende Harmonien hinein, lassen sie aufblühen wie exotische Gärten, drängen dann wieder stürmisch vorwärts. Herrlich die Vogelimitationen der Holzbläser, aufwühlend die düsteren Akkordballungen im Hades«

Berliner Morgenpost,, 27. November 2018

»Ihre todesverzweifelte Selbstanklage ist eindrucksvoll – Magdalena Kožená legt eine ungemeine Leidenschaft in diesen Gesang und schafft es dennoch, ihre Emotionen französisch barockgerecht zu zügeln. Auch die anderen Auftritte der Kožená sind brillant, was nicht allein an ihrem Kostüm liegt, das sie mit einer glitzernden Aureole umhüllt. Ihre Stimme glänzt und hat gleichzeitig eine wohllautend dunkle Fülle.«

neues deutschland, 30. November 2018

»Die von Simon Rattle angeleiteten Ensembles, das hinreißende Freiburger Barockorchester und der überwältigende Staatsopernchor, sind abendfüllend damit beschäftigt, die Widrigkeiten dieses Generationenkonflikts in Melancholie zu hüllen, die dann auch nicht aus dem Nachtigallgesang des Finales, den Jagdszenen oder dem Dudelsack-Tanz weichen will. Aus einem verwunschenen Elysium lockende Flötentöne prallen auf Streicherballungen, Hörner und Trompeten verlieren ihr Schmettern in Trillerketten und Lee Santanas Laute gibt leise, aber stets vorlaut zu allem seinen Kommentar ab.«

Süddeutsche Zeitung, 3. Dezember 2018

»Gern stellt er [Ólafur Elíasson] geometrisch geordnete Lichtbahnen in den Raum, die durch die immer und immer wieder aufsteigenden Duftnebel abgemildert werden, die sich in einem Spiegel hinter der Bühne noch zusätzlich brechen. So verweigert Ólafur Elíasson dem Stück jeden Realismus, er führt es in sein abstraktes Reich des Lichts, in dem es um so leichter fällt, sich die Hölle zu imaginieren und die Götter, die ständig ihre Finger im Spiel haben, um den Sieg der Jugend und des Neuen zu ermöglichen. Der ganze Abend wird so zu einer Hommage an Distanz, Entschleunigung und Magie.«

Süddeutsche Zeitung,, 3. Dezember 2018