Wer in der ehemaligen »Königlichen Hofoper« einen Opernabend erlebt, kommt nicht nur in den Genuss einer Aufführung des traditionell vorzüglich besetzten und geleiteten Ensembles, sondern hat zugleich die Gelegenheit, eines der schönsten Opernhäuser der Welt zu besichtigen. Den Auftrag zum Bau des »Zauberschlosses« gab Friedrich II. dem ihm nahe stehenden Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Dieser begann im Juli 1741 mit der Errichtung des Opernhauses, die den Auftakt für ein geplantes »Forum Fridericianum« bilden sollte. Am 7. Dezember 1742 - zehn Monate vor der Fertigstellung des Baus - wurde die Hofoper auf Befehl des ungeduldigen Königs mit Carl Heinrich Grauns »Cleopatra e Cesare« festlich eröffnet. Dies war gleichzeitig der Anfang der über 250-jährigen erfolgreichen Zusammenarbeit von Staatsoper und Staatskapelle.
Im Gegensatz zum Staatsopernchor, der erst 1821 fest engagiert wurde und die bis dahin aus Schülern der Berliner Gymnasien bestehenden Laienchöre ersetzte, bestand die damalige »Königliche Kapelle« zum Zeitpunkt der Einweihung bereits seit mehr als zwei Jahrhunderten. Ihre Wurzeln reichen bis ins 15. Jahrhundert zurück, 1570 wurde sie erstmals urkundlich als »Kurfürstliche Hofkapelle« erwähnt. 1842 begründete Gottfried Wilhelm Taubert die bis heute andauernde Tradition selbstständiger und regelmäßiger Sinfoniekonzerte. Im selben Jahr wurde Giacomo Meyerbeer als Nachfolger von Gaspare Spontini zum Generalmusikdirektor berufen und Felix Mendelssohn Bartholdy leitete für ein Jahr die Sinfoniekonzerte.
In der Nacht vom 18. zum 19. August 1843 brannte die Lindenoper - inzwischen mit dem Nationaltheater zu den »Königlichen Schauspielen« vereinigt - nach einer Aufführung des Militärballetts »Der Schweizersoldat« bis auf die Grundmauern ab. Sie wurde von Carl Ferdinand Langhans neu errichtet und im Herbst des darauf folgenden Jahres mit Meyerbeers »Ein Feldlager in Schlesien« wieder eröffnet.
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Zu den Höhepunkten in der Berliner Operngeschichte im 19. Jahrhundert zählt die Uraufführung von Webers »Der Freischütz« 1821 im von Karl Friedrich Schinkel neuerbauten Schauspielhaus am Gendarmenmarkt. Otto Nicolais »Die lustigen Weiber von Windsor« ging 1849 in der Lindenoper unter der Leitung des Komponisten erstmals in Szene.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erlangte das Opernhaus durch Dirigenten wie Joseph Sucher, Felix von Weingartner und Karl Muck sowie später dann Richard Strauss und Leo Blech internationalen Ruhm. Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches wurde die Oper 1918 in »Staatsoper Unter den Linden« umbenannt, aus der »Königlichen Kapelle« wurde die »Kapelle der Staatsoper«. In den zwanziger Jahren standen unter anderem Dirigenten wie Wilhelm Furtwängler, Erich Kleiber, Otto Klemperer, Alexander von Zemlinsky und Bruno Walter am Pult.
Im April 1928 eröffnete die Lindenoper nach einem völligen Umbau des Bühnenhauses, bei dem eine Drehbühne sowie Unter- und Seitenbühnen eingebaut wurden, das Haus mit einer Neuinszenierung der »Zauberflöte«. Im selben Jahr gaben Fjodor Schaljapin und das Diaghilew-Ballett unter Ernest Ansermet Gastspiele in der Staatsoper.
Nach der Machtergreifung Hitlers wurden alle Juden aus dem Ensemble entlassen; Otto Klemperer, Fritz Busch und viele Spitzensolisten gingen ins Exil. Staatskapellmeister während des Dritten Reiches waren Robert Heger, Johannes Schüler und Herbert von Karajan, unter dessen Leitung 1944 die erste Stereoaufnahme entstand. Schon seit dem Ende des Wilhelminischen Kaiserreiches widmete sich die Lindenoper verstärkt zeitgenössischen Komponisten. So wurde 1925 Alban Bergs »Wozzeck« in Anwesenheit des Komponisten unter der Leitung von Erich Kleiber uraufgeführt. Letzterer leitete 1930 auch die Uraufführung von Darius Milhauds »Christoph Kolumbus« und 1934 der sinfonischen stücke aus Alban Bergs »Lulu«, woraufhin die Nazis jedoch einen Skandal inszenierten und Erich Kleiber ebenfalls ins Exil trieben. 1938 folgte die Uraufführung von Werner Egks »Peer Gynt«, die der Komponist selbst dirigierte.
Im zweiten Weltkrieg wurde das Opernhaus zweimal durch Bomben komplett zerstört. Während es beim ersten Mal rasch wieder aufgebaut wurde, zog sich die Neuerrichtung nach der zweiten Zerstörung hin. Beide Male, 1942 wie 1955, wurde die Deutsche Staatsoper Berlin, wie sie sich seit 1945 nennt, mit Wagners »Die Meistersinger von Nürnberg« wieder eröffnet.
Trotz des Mauerbaus 1961 und den damit verbundenen Beschränkungen gelang es der Staatsoper unter den Intendanten Hans Pischner und Günter Rimkus in den folgenden Jahrzehnten, ihren internationalen Ruf zu erhalten und ein breit gefächertes Repertoire aus Klassik und Romantik sowie aus zeitgenössischen Opern- und Ballettwerken aufzubauen. Die Reihe der Uraufführungen wurde u. a. mit »Das Verhör des Lukullus« (1951), »Einstein« (1974) und »Leonce und Lena« (1979) von Paul Dessau fortgesetzt.
Nach der Wiedervereinigung hat sich die Lindenoper nicht nur fest im Berliner Musikleben etabliert sondern zählt auch wieder zu den führenden Opernhäusern der Welt. Unter dem Intendanten Georg Quander wurden neben den großen Werken des Repertoires neue inhaltliche Schwerpunkte gesetzt. Wichtige Werke, die in der Vergangenheit ihre Uraufführung erlebt hatten, wurden im Rahmen einer »Berliner Dramaturgie« erneut zur Diskussion gestellt. Eine besondere Bedeutung kam Barockopern zu, die unter der Leitung von René Jacobs mit Spezialensembles wie der Akademie für Alte Musik Berlin und dem Freiburger Barockorchester auf historischen Instrumenten aufgeführt wurden. Diese erfolgreiche Zusammenarbeit währt mittlerweile ein Vierteljahrhundert und umfasst rund zwei Dutzend verschiedener Produktionen mit Werken italienischer, deutscher und englischer Komponisten wie Monteverdi, Cavalieri, Scarlatti, Steffani, Graun, Händel, Telemann und Purcell.
Mit Daniel Barenboim wurde 1992 erneut ein Musiker mit langjähriger internationaler Erfahrung als Künstlerischer Leiter und Generalmusikdirektor gewonnen. Er brachte mit der Staatskapelle Berlin, die ihn im Herbst 2000 zum Chefdirigenten auf Lebenszeit wählte, den Zyklus mit sämtlichen Sinfonien und Klavierkonzerten Beethovens (als Solist und Dirigent) zur Aufführung und präsentierte bei den Festtagen 2002 auch erstmals den zehnteiligen Wagner-Zyklus, der zwischen 1992 und 2002 mit Harry Kupfer erarbeitet wurde. Zu weiteren Großprojekten zählten der zehnteilige Mahler-Zyklus 2007, der neunteilige Bruckner-Zyklus (seit 2012 mehrfach auf Gastspielreisen präsentiert) sowie ein breit gefächertes Spektrum von Musiktheaterproduktionen, u. a. mit Werken von Gluck, Beethoven, Strauss, Busoni, Rimsky-Korsakow und Martinu. Im Zentrum der vergangenen Jahre steht auch weiterhin die Auseinandersetzung mit den Opern und Musikdramen Wagners sowie eine sich weiter intensivierende Verdi-Pflege. Im Konzertbereich finden Werke von Mozart, Beethoven, Brahms und Bruckner ebenso Aufmerksamkeit wie Kompositionen von Schönberg, Berg, Debussy, Ravel, Strawinsky, Boulez, Carter und Widmann.
Prägend für die Zeit Peter Mussbachs Intendanz und künstlerische Leitung, die er 2002 von Daniel Barenboim übernommen hat, wurde neben der Pflege des Konzert- und Opernrepertoires die Arbeit an neuen Formaten des Musiktheaters: Zahlreiche Uraufführungen und Werke des 20. Jahrhunderts wurden als interdisziplinäre Projekte mit bildenden Künstlern, Architekten oder Choreografen sowohl im Großen Haus als auch in dem als experimentelles Labor für gernrenübergreifende Projekte etablierten Magazingebäude der Staatsoper realisiert.
Im April 2008 übernahm der Operndirektor Ronald H. Adler kommissarisch die Leitung der Staatsoper. Während dieser Zeit wurde der Umzug in das Schiller Theater im Bezirk Charlottenburg vorbereitet, das während der Sanierung des Hauses Unter den Linden als Ausweichspielstätte fungierte. Abweichend von den ursprünglichen Planungen, die einen Wiedereinzug bereits 2013 in Aussicht stellten, war die Staatsoper bis zum Ende der Spielzeit 2016/17 im Schiller Theater beheimatet.
Im September 2010 übernahm mit Jürgen Flimm ein weltweit erfolgreicher Opern- und Schauspielregisseur sowie langjähriger Intendant renommierter Häuser und Festivals die künstlerische und administrative Leitung der Berliner Staatsoper. In den Jahren seiner Intendanz wurde im Schiller Theater und an anderen Spielstätten eine große Anzahl von Opern- und Konzertaufführungen realisiert, die von Barockproduktionen bis hin zu Uraufführungen reichen. Neben den Klassikern des Repertoires gelangten dabei auch selten gespielte Werke sowie eigens entwickelte, neue Akzente setzende Musiktheaterprojekte auf den Spielplan. Zu den Höhepunkten zählten dabei u. a. Luigi Nonos »Al gran sole carico d’amore«, Frank Martins »Le vin herbé«, Toshio Hosokawas »Matsukaze« sowie die Abende »AscheMOND oder The Fairy Queen« und »Rein Gold«. Ein besonderes Gewicht lag auf der Pflege zeitgenössischer Werke, die vielfach im Rahmen des Festivals »Infektion!«, das jährlich gegen Ende der Spielzeit stattfand, zur Aufführung kamen. In der Werkstatt des Schiller Theaters, die ab 2010 als »kleine Bühne« für zeitgenössische Werke im Kammerformat und Kinder- sowie Jugendoper reaktiviert wurde, entwickelte sich desgleichen ein Ort für ein anregend-lebendiges Musiktheater. In den vergangenen Jahren ist Jürgen Flimm auch verstärkt selbst als Regisseur an der Staatsoper in Erscheinung treten, u. a. mit Inszenierungen von Mozarts »Le nozze di Figaro«, Glucks »Orfeo ed Euridice«, Puccinis »Manon Lescaut« oder Sciarrinos »Luci mie traditrici«.
Auch im Schiller Theater setzte die Staatsoper ihre einzigartige Programmatik fort, von der Barockoper in historisch informierter Aufführungspraxis über die zentralen Werke der klassischen und romantischen und modernen Literatur bis zu Stücken aus dem 20. und 21. Jahrhundert die gesamte Bandbreite des Musiktheaters ihrem Publikum zu bieten, auf höchstem musikalischen und szenischen Niveau. Dafür bürgen Generalmusikdirektor Daniel Barenboim, der pro Saison im Schnitt drei Opernpremieren sowie ca. 15 Sinfoniekonzerte dirigiert, die national wie international hoch angesehene Staatskapelle Berlin, der Staatsopernchor, ein hervorragendes Solistenensemble sowie weltweit führende Gast-Sängerinnen und Sänger. Die Operninszenierungen reflektieren die Auseinandersetzung mit den Werken aus heutiger Perspektive, geben neue Impulse zu herkömmlichen Sehgewohnheiten und bleiben dabei dennoch dem Werkgehalt treu.
Seit Herbst 2017 sind alle diese Künstler:innen wieder im Stammhaus Unter den Linden, das nach siebenjähriger Rekonstruktion wieder in Betrieb genommen wurde, zu erleben. Auch dort erwartet die Besucher:innen wieder ein spannendes, attraktives Programm, für das seit 1. April 2017 Matthias Schulz verantwortlich zeichnet, der damit Jürgen Flimm als Intendant der Staatsoper Unter den Linden nachfolgt.
EINE KLEINE BAUGESCHICHTE DER STAATSOPER UNTER DEN LINDEN (ALS PDF) (3,05 MB, pdf)
DIE GENERALSANIERUNG
Von Herbst 2010 bis Herbst 2017 fand die aufwendigste Sanierungsmaßnahme in der Geschichte der Staatsoper statt. An der Generalsanierung beteiligten sich die Bundesrepublik Deutschland mit 200 Millionen € und der Verein der Freunde und Förderer der Staatsoper Unter den Linden mit 3 Millionen €. Nach öffentlichen Diskussionen über die Neugestaltung des Zuschauersaals erhielt der Architekt HG Merz den Auftrag, das Baudenkmal zu sanieren. Für das Gebäudeensemble der Staatsoper bestand ein grundlegender Sanierungsbedarf. Unter der Einhaltung von denkmalpflegerischen Aspekten wurden bautechnische Mängel beseitigt und die stark veraltete Gebäudeausstattung auf ein zeitgemäßes sicherheitstechnisches Niveau gebracht. Verbessert wurden auch die Barrierefreiheit, die Klimatechnik und der Brandschutz. Die äußere Bauform der Oper ist aus der Fußgängerperspektive bestehen geblieben. Das Volumen des Zuschauersaals wurde, um eine bessere Akustik zu erzielen, vergrößert. Dafür wurde der Saal innerhalb der vorhandenen Gebäudekubatur durch Anheben der historischen Decke erweitert. Die Gestaltung des Operngebäudes Unter den Linden wurde dabei in der Gestaltung mit Einbauten und Farben aus den 1955er Jahren ergänzt und wiederhergestellt. Während der Bauphase spielte das Ensemble der Staatsoper im Schiller Theater im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf.
WIE KLINGT DIE OPERNGESCHICHTE?
FRIEDRICH II.
Friedrich II., auch Friedrich der Große oder Alter Fritz genannt, wurde am 24. 01. 1712 in Berlin geboren und starb am 17. 08. 1786 in Potsdam. Er war von 1740 bis 1786 König in Preußen und ab 1772 König von Preußen, zudem war er Kurfürst von Brandenburg.
1742:
DIE OUVERTÜRE
Die Eröffnung des Opernhauses fand als Hofoper bereits 1742 mit einer ersten Premiere im noch unfertigen Bau statt. Damit begann die über 250-jährige erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der Berliner Staatsoper und der heutigen Berliner Staatskapelle.
Für die Planung wurde der Architekt Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff beauftragt. Er konzipierte die Oper im Stil des Palladianismus. Als Bauplatz wählte der König ein Festungsgelände in der Nähe des von ihm bewohnten Kronprinzenpalais. Durch die Platzierung auf der Hauptachse der Stadt – Unter den Linden – und nicht wie üblich innerhalb des Schlosskomplexes, entstand das erste eigenständige Theatergebäude Europas als kultureller Ausdruck der Ideen der Aufklärung.
Das als Langhaus konzipierte Gebäude verfügt über den Apollosaal (Bankettsaal, Foyer), den Theatersaal (Zuschauerraum, Ballsaal) und den Korinthischen Saal, (Bühne und Konzertsaal). Mit dem Kronprinzen-, dem Prinzessinnenpalais und dem Zeughaus ist die Königliche Hofoper der vierte Prachtbau Unter den Linden.
1950–1955:
DAS INTERMEZZO
Nachdem die Staatsoper bereits 1942 beschädigt und umfänglich renoviert worden war, führten schließlich die massiven Zerstörungen im letzten Kriegsjahr zu dem Entschluss des Wiederaufbaus.
Nach der Staatsgründung der DDR im Oktober 1949 und dem Abriss des Berliner Schlosses wurden die Pläne konkret. Beauftragt wurde der ehemalige Poelzig-Schüler und Gropius-Assistent Richard Paulick, die Konzeption für den Wiederaufbau zu erstellen. Alle stilwidrigen Veränderungen, die im Laufe der Zeit das Haus überzogen hatten, sollen entfernt und das Gebäude im Sinne von Knobelsdorff wieder neu errichtet werden.
Richard Paulick und seinem »Entwurfskollektiv« gelang es, innerhalb von drei Jahren den wichtigsten Beitrag zum kulturellen Wiederaufbau der DDR zu leisten. So ist beispielsweise der Apollosaal mit seiner Ornamentik, angelehnt an originale Vorbilder, ein exzellentes Beispiel für den kreativen und dennoch verantwortungsvollen Umgang mit Traditionen. Ebenso ist der für sozialistische Verhältnisse ungewöhnlich prachtvolle Zuschauerraum mit seinen drei Rängen ein Zeugnis für das kulturelle Selbstverständnis jener frühen 1950er Jahre.
Am 4. Oktober 1955 eröffnete die Deutsche Staatsoper mit Wagners »Die Meistersinger von Nürnberg«.
RICHARD PAULICK
Der Architekt Richard Paulick wurde am 7. November 1903 in Roßlau (Anhalt) geboren. Von 1923 – 27 studierte er Architektur in Dresden und Berlin unter anderem bei Hans Poelzig. Fachliche Verbindungen pflegte er auch zum Bauhaus und war Mitarbeiter im Büro von Walter Gropius, was seine Projekte prägte. Er starb am 4. März 1979 in Berlin.
Richard Paulick hat als Architekt eine bewegende Geschichte hinter sich. Seine ersten Entwürfe entwickelte er unter dem Einfluss des Bauhauses. Als politisch engagierter Mensch musste er in den 1930iger Jahren das Land verlassen und kehrte erst 1950 in die DDR zurück. Hier hat sein Wirken Spuren hinterlassen. 1956 erhielt er den Staatspreis für den Wiederaufbau der Staatsoper.
Von Knobelsdorff bis Paulick haben viele Architekten die Oper verändert und sie immer wieder den neuen Anforderungen und Funktionen angepasst. Das passiert auch heute noch: Mit großem bautechnischen Engagement und Fachkenntnis wird die Oper optimal umgestaltet, um für das Publikum und die Akteure der Oper ideale Bedingungen zu schaffen.
DAS FINALE
Die Sanierung der Staatsoper mit allen Maßnahmen, die jetzt umgesetzt wurden, hat die Berliner Spielstätte in den Kreis der international bekannten Opernhäuser eingereiht. Das hat die Aufführungsmöglichkeiten erweitert, macht Berlin aber auch attraktiv für Reisende aus aller Welt. Die Berliner:innen erkennen ihr Opernhaus mit dem gewohnten Ambiente, als vertraute Spielstätte wieder, und können nun mit verbesserter Akustik die Aufführungen genießen.
Mit den bisherigen baulichen Veränderungen des Hauses, der sozialen Zusammensetzung der Besucher:innen und insbesondere der musikalischen Darbietungen ging auch immer der Wandel von klanglichen Qualitäten einher. Mit der Neugestaltung der Staatsoper wird nun diesen neuen Anforderungen entsprochen.
Der Entwurf, der umgesetzt wurde ist deshalb so überzeugend, weil er am Ende eines Diskussionsprozesses die optimale Lösung darstellt. Er berücksichtigt das historische Erscheinungsbild, macht aber auch einfühlsam deutlich, wo etwas Neues entstanden ist.
HG MERZ
1947 geboren in Tailfingen / Württemberg
1969 –1974 Studium der Architektur an der Technischen Universität Stuttgart
1981 + 1993 Gründung der Büros in Stuttgart und Berlin
1993 – 2007 Professur für Ausstellungsgestaltung / Visuelle Kommunikation an der Hochschule Pforzheim
seit 2008 Professur für Entwerfen und Experimentelles Gestalten an der Technischen Universität, Darmstadt
seit 2013 Vorsitzender des Universitätsrates der Bauhaus Universität Weimar
WIE KLINGEN DIE EINZELNEN BAUTEILE?
Das Gesamtprojekt umfasst die 5 Bauteile: das Opernhaus, welches in Zuschauerhaus und Bühnenhaus unterteilt ist, die Intendanz, das Probenzentrum (auf der Fläche des ehemaligen Magazingebäudes) und das unterirdische Verbindungsbauwerk für den Kulissentransport. Hierdurch ist eine effizientere Logistik für den Repertoirebetrieb der Staatsoper möglich.
DAS ZUSCHAUERHAUS
Hier wurde eine Abdichtung zum Schutz gegen das Grundwasser eingebracht, die dekorativen und denkmalsgeschützten Ausbauten von diversen Schadstoffen befreit und nach sorgfältiger Kartierung eingelagert. Das Haus erfährt in seiner Gestaltung eine Rückführung auf die Formensprache der 50er Jahre von Richard Paulick.
DAS BÜHNENHAUS
Hier wurde zuerst die Bühnentechnik ausgebaut und das Gebäude mit Ankern gegen ein Aufschwimmen gesichert. Dann wurde eine bis zu 3,2 cm dicke Stahlblechabdichtung eingebracht. Dieses Prinzip der Abdichtung kommt aus dem Schiffsbau. Ein Gutachter hat jeden Zentimeter der insgesamt 7 km Schweißnah tüberprüft, um eine Dichtigkeit sicherzustellen.
DAS UNTERIRDISCHE BAUWERK
Im Unterirdischen Bauwerk werden nicht nur Dekorationselemente in Lagerwagen witterungsunabhängig und schneller transportiert, sondern es dient auch der internen logistischen Erschließung der Gebäude der Staatsoper. So sind notwendige technische Betriebsräume im Unterirdischen Bauwerk untergebracht. Sämtliche Versorgungsleitungen, wie zum Beispiel Elektro-, Heizungs-, Kälte- und Feuerlöschleitungen verlaufen durch das Unterirdische Bauwerk, das damit von besonderer Bedeutung für die technische Versorgung der Staatsoper ist. Darüber hinaus stehen Flächen für die Vormontage und Lagerung von Kulissen und Dekorationen zur Verfügung.
DIE INTENDANZ
Hier wurden die dekorativen und denkmalsgeschützten Ausbauten von Schadstoffen befreit und nach sorgfältiger Kartierung eingelagert. Nach Fertigstellung der Rohbauarbeiten im Gebäude (Abdichtung, Fassaden- und Fenstersanierung) wurden die reparierten dekorativen Elemente wieder eingebaut.
DAS PROBENZENTRUM
Hier werden Probemöglichkeiten für das Staatsballett, den Chor und das Orchester zur Verfügung gestellt. Ebenso entstand hier ein Probenraum mit den gleichen Dimensionen wie die Hauptbühne im Opernhaus. Hier hat das Ensemble der Staatsoper zum ersten Mal die Gelegenheit, in den originalen Kulissen und der gleichen Bühnengröße wie im Opernhaus zu proben. Der Raum bietet ebenso die Möglichkeit für eine 2. Spielstätte. Die Fassade des vorherigen Magazingebäudes wurde wiederhergestellt.
AKUSTIK UND NACHHALLGALERIE
Der bisherige Saal erzeugte nur wenig Klangwärme und erreichte im besetzten Zustand eine zu geringe Nachhallzeit. Dieser geringe Wert hatte zwei Ursachen: zum einen das Verhältnis des geringen Raumvolumens zur Anzahl der Zuschauer, zum anderen die Absorption der hohen Frequenzen. Zusätzlich verhindern die Stoffbespannungen im Saal eine Reflexion der Töne. Die Nachhallzeit wurde nun vergrößert und dadurch der Klang verbessert. Das von den Akustikern und Architekten entwickelte Konzept sieht eine Anhebung der Decke vor. Das Saalvolumen erhöhte sich fast um die Hälfte und die Nachhallzeit konnte wesentlich verlängert erden. Die Anhebung der Saaldecke um 5 Meter geschah, ohne das Erscheinungsbild des Gebäudes zu verändern. Durch diese Anhebung entstand eine Nachhallgalerie. Ausgehend von den im Hause vorhandenen Gitter- und Rautenmotiven wurde eine schalldurchlässige Struktur entwickelt.
Die Staatsoper Unter den Linden ist einem ständigen Wandel unterzogen. Dadurch zeigt das seit 1979 unter Denkmalschutz stehende Gebäude eine beispiellose Mehrschichtigkeit. Die Modernisierung ist ein weiteres Kapitel in der Baugeschichte der Oper. Die notwendige Generalinstandsetzung fand seit 2009 unter der Leitung des Architekten HG Merz statt. Verbessert wurde die Infrastruktur hinsichtlich Barrierefreiheit, die Klimatechnik, die Sicherheit und der Brandschutz. Die äußere Bauform wurde dabei bewahrt und sensibel restauriert. Im Innenraum wurden denkmalpflegerische Entscheidungen in Abwägung zwischen den Anforderungen an einen modernen Theaterbetrieb und dem Erhaltungsinteresse getroffen. Die Farbgestaltung der 1955er Jahre wurde wiederhergestellt. Die seither hinzugekommenen Farbschichten wurden entfernt und das Gesamtwerk des Architekten Richard Paulicks freigelegt. Oberhalb der Ränge wurde die historische Saaldecke angehoben. Als neuer Abschluss über dem Bestand entstand ein Kranzgesims, das sich aus dem bestehenden Gebälk entwickelt.
Der barrierefreie Zugang wird in alle öffentlichen Teile des Gebäudes gewährleistet.